Von Vollkommenheit, Zwietracht und Neuanfang

Karl-Friedrich Amendt vom Denkmalverein sprach zu Zahlen und ihrer Symbolik

Sinzig. Zahlen und ihre Symbolik, dieses umfassende Thema hatte sich beim „Turmgespräch im Schloss“ des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt vorgenommen – zugespitzt auf die Frage: Warum hat der Sinziger Kirchturm acht Ecken? Das erfuhren die zahlreichen Zuhörer im dicht besetzten Kultursaal des Schlosses zum Ende des Vortrages, als Amendt die symbolische Bedeutung der Zahlen 1 bis 8 erläuterte.

Zahlen und ihre Symbolik spielen eine große Rolle in den Weltreligionen und wirken bis in den heutigen Alltag auf der ganzen Welt. „Gott hat alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“, heißt es zum Beispiel im Christentum, ähnliche Aussagen kennt der Islam. Zahlen stehen auch in engem Zusammenhang mit optischer Darstellung. Nach dem Gesetz des Pythagoras richten sich im Altertum Knotenreihen, die zur Vermessung an Bauwerken gebraucht wurden, der Goldene Schnitt und der ideale Schnitt teilen in Architektur und Kunst die Flächen nach vorgegebenem Zahlenwerk auf. Zahlen stehen in Bezug zu Buchstaben, was seit jeher zu zahlreich überlieferten Schlussfolgerungen Anlass gibt.

Davon berichtete Amendt einleitend, ohne sich solche Schlussfolgerungen unbedingt zu Eigen zu machen. Sein Vortrag stellte eine Literaturrecherche dar, die einen umfassenden Wissensstand präsentierte, ohne zu einer wissenschaftlichen Aussage zu kommen. Der Kern des Vortrags widmete sich den Zahlen 1 bis 8 und ihrer Symbolik.

Die 1 steht für das einzig Wahre, Göttliche, das Ungeteilte. Zudem erinnert die arabische 1 an ein Phallussymbol. Ungerade Zahlen gelten als männlich, die geraden als weiblich.

Die 2, eine Primzahl (nur durch sich selbst und durch 1 teilbar), gilt als der Abfall von der Einheit, zwei Elemente zeugen von Anfang und Ende. Nicht zufällig steckt in den Begriffen Zwietracht, Zwiespalt oder Zweifel die 2.

Die 3 nun wiederum ist dreidimensional, hebt den Gegensatz der 2 auf und ist daher eine vollkommene Zahl. In vielen Bereichen spielt die 3 eine große Rolle, in der Heiligen Dreifaltigkeit der christlichen Kirche, in den drei Ebenen des Menschen Körper, Geist und Seele oder einfach in dem Sprichwort „Aller guten Dinge sind drei“.

Die weibliche 4 gilt als Zahl der sichtbaren Welt. In vier Tagen wurde nach der Bibel die Erde (noch ohne Leben) erschaffen, die Welt kennt die vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, das Kreuz weist in vier Himmelsrichtungen.

Die 5 ist zusammengesetzt aus der 2 und der 3 und verbindet in ihrer Symbolkraft daher Widersprüchliches. Hier dreht sich viel um den Planeten Venus, dessen Umlaufbahn sich in einem (an einer Ecke unvollkommen offenen) Fünfeck abspielt. So steht die Venus gleichermaßen für Schönheit (ideale 3) und für Zwietracht (die 2 ist dabei) und Krieg, ein Symbol des Bösen.

Die 6 (2x3) ist das Produkt der ersten weiblichen mit der ersten männlichen Zahl und erhebt deshalb den Anspruch einer vollkommenen Zahl. Im christlichen und im jüdischen Glauben hat die 6 eine hohe Symbolkraft. In sechs Tagen wurde die Welt erschaffen (am siebenten Tag ruhte Gott), dabei am sechsten Tag Mann und Frau, verbunden mit dem biblischen Auftrag „Wachset und mehret Euch“. Daher rührt auch der Bezug zum heutigen Begriff Sex.

Die 7 besteht aus der geistigen 3 und der erdenhaften 4. Sieben Planeten kannte die alte Welt, nach ihnen wurde die Woche eingeteilt, die Namen der Wochentage – sie stammen von Göttern zugeordneten Planeten - sind auch heute noch gültig, wenn auch im deutschen Sprachraum nur zum Teil (Saturn/Samstag). In der Bibel ist die 7 sehr präsent, die Antike kannte sieben Weltwunder, die Römer hatten sieben Grundzahlen.

Und nun die 8, eine Verdoppelung der 4. Zwei Quadrate übereinander gelegt ergeben ein Achteck. In der Antike verstand man es als Verbindung des Kreises (Unendlichkeit des Himmels) und des Quadrats (Begrenzung der Erde) und nutzte schon früh den achteckigen Grundriss beim Bauen. Im Christentum und Judentum ist die 8 die Zahl des Neubeginns, so der Tag nach Vollendung der Schöpfung (achter Tag) und aus der Arche Noah sorgten acht Männer und Frauen für den Fortbestand des Menschen. Und der Sinziger Kirchturm? Als Karl der Große mit seiner Regentschaft als Kaiser aller Christen einen Neuanfang setzen wollte, wählte er für die Pfalzkapelle in Aachen den achteckigen Grundriss – das wirkte sich von dort aus auch auf den Bau der Kirche in Sinzig rund 400 Jahre später aus (um 1225).

Zügig und kurzweilig trug Amendt den umfangreichen Stoff vor, das Publikum zeigte großes Interesse und starken Beifall. Die stellvertretende Vorsitzende und Museumsleiterin Agnes Menacher dankte dem Referenten für die vielschichtigen Einblicke in Welt der Zahlensymbolik, die man nun viel besser verstehen könne.

Zu seiner nächsten Veranstaltung lädt der Verein am 8. September ein, zum Tag des Offenen Denkmals am 8. September im Schloss.

Karl-Friedrich Amendt, Vorsitzender des Denkmalvereins, beim Vortrag zur Zahlensymbolik.

 

 

 

(c)2013 

von Matthias Röcke