Das Elend der Kriegsgefangenen und die Ursachen

Franz Krämer sprach beim Denkmalverein über den Soldatenfriedhof in Bad Bodendorf

Sinzig. Den Soldatenfriedhof von Bad Bodendorf, ein Zeugnis dramatischer Ereignisse zum Ende des Zweiten Weltkrieges mit engstem Bezug zur Region, hatte Franz Krämer, Schriftführer des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum Sinzig, für das jüngste „Turmgespräch im Schloss“ zum Thema genommen. Auf dem Friedhof sind 1213 deutsche Soldaten beerdigt, rund 1100 die im April und Mai 1945 im US-amerikanischen Rheinwiesenlager in der Goldenen Meile in Remagen und Sinzig umgekommen waren.

Es war das dringliche Anliegen von Krämer, den Zusammenhang aufzuzeigen zwischen dem Gefangenenlager einerseits und der von nationalsozialistischer Ideologie andererseits. Denn diese, mit allen ihren Konsequenzen, hatte letztlich erst zum Krieg geführt. Deshalb ging es in dem Vortrag sowohl um die extrem belastenden Verhältnisses in dem Lager als auch um Vorgehen und Denkweise der Nationalsozialisten.

Der Soldatenfriedhof von Bad Bodendorf wurde Ende April provisorisch eingerichtet, nachdem Tote aus dem nahen Rheinwiesenlager zunächst auf die Friedhöfen in Kripp, Sinzig und Bad Bodendorf  beigesetzt  worden waren. Der Friedhof war zunächst einfach gestaltet, erst 1957 erfolge unter der der Regie der Deutschen Kriegsgräberfürsorge der Ausbau zum heutigen Soldatenfriedhof mit einer Einfriedung und dem turmähnlichen Eingang, geöffnet zum Gelände des früheren Lagers hin. Krämer berichtete über ein interessantes Detail aus der Entstehungszeit: Der Friedhofswärter Klaus Ronken  aus Kripp besorgte  die Beerdigung der Toten aus dem Lager, registrierte sie und setze sich sehr für eine Umbettung in den neuen Friedhof bei Bad Bodendorf ein. Das geschah zwischen dem 28. April und dem 15. Juli 1945, danach erfolgten die Beisetzungen wieder auf den einzelnen Ortsfriedhöfen.

Eine andere Person der Zeitgeschichte ist Gerhard Dreißigacker, ein inzwischen verstorbener Lagerinsasse, der Krämer für ein Zeitzeugengespräch zur Verfügung gestanden hatte. Als 15Jähriger im Jahre 1944 zur Waffen-SS eingezogen, desertierte er nach schlimmen Erlebnissen, wurde dabei trotz größter Eigengefährdung von der Zivilbevölkerung geschützt  und gelangte dann als Gefangener in das Lager.  Ohne Verpflegung und unter extrem belastenden Umständen erlebte er eine schwere Zeit, konnte aber im Mai 1945 die Situation zur Flucht nutzen, als die Wachmannschaften den endgültigen Sieg über Deutschland feierten. So entging Dreißigacker noch Schlimmerem und blieb schließlich in Bodendorf.  

Trotz sehr belastender Umstände  – zeitweise waren 300.000 schlecht versorgte Gefangene unter freiem Himmel untergebracht – stellte das Rheinwiesenlager kein Konzentrationslager in der Form eines Vernichtungslagers wie bei den Nationalsozialisten dar. Auch die Sterbequote von rund 0,37 Prozent ist im Vergleich nicht hoch. Allerdings hatten die Amerikaner das Lager als Durchgangslager eingestuft, was sie davon entband, die Regeln der Genfer Konvention für Kriegsgefangene anwenden zu müssen. Im Juli 1945 übernahmen absprachegemäß die Franzosen das Lager, lösten es nach und nach auf und brachten einen Großteil der Gefangenen nach Frankreich, wo sie Arbeitseinsätze zu leisten hatten. Kurz vor der Auflösung mussten die Gefangenen noch eine Verschärfung ihrer Lage hinnehmen, denn unter französischer Regie übernahmen frühere Widerstandskämpfer und KZ-Häftlinge den Wachdienst, was auch zu Übergriffen führte.

Warum es so weit kommen konnte, zu Krieg, Gefangenenlagerr und damit verbundenen schweren Schicksalen, zeigte Krämer an einem Beispiel nationalsozialistischer Denkungsart auf, die seine eigene Familie betroffen hatte. Im Zuge des „Generalplan Ost“ sollte sie 1944 vom Balkan nach Polen umgesiedelt werden, um dort  als Deutschstämmige das Land zu dominieren – ein Ausfluss der Rassengesetzgebung der Nazis. Dass diese Aktion seinerzeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) argumentativ unterstützt wurde, wirft ebenfalls ein Schlaglicht auf die Diktatur der Nazis. Die Familie hatte Glück und konnte ins Reich  zurückkehren, ehe die Umsiedlung abgeschlossen war.

Als Schlusssatz zitierte Krämer den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker aus dessen  1985 gehaltenen Rede zum Kriegsende 1945.Vom Tag der Befreiung  von der nationalsozialistischen Diktatur hatte er damals gesprochen, eine Sichtweise, die Krämer ausdrücklich unterstützte, auch im Hinblick auf aktuelle Tendenzen von Fremdenfeindlichkeit im Lande. Der Vortrag wurde mit großem  Interesse aufgenommen. Das zeigte sich auch im Anschluss auch in Fragen und einer lebhaften Diskussion bis ins Detail. Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt bei seinen Dankesworten an den Referenten: „Das war nicht nur ein Vortrag, sondern ein echtes Turmgespräch“.

Interessanter Vortrag und lebhafte Diskussion:
Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt (rechts) dankt Referenten Franz Krämer.

 

Im Jahre 1957 erhielt der Soldatenfriedhof von Bad Bodendorf seine heutige Gestaltung.

 

 

 

 

Veröffentlichungen zum Thema Rheinwiesenlager:

 

(c) Oktober 2015

 

Text und Fotos: Matthias Röcke