Sonderausstellung ab 12. Mai 2002 im Heimatmuseum Sinzig
Rheinromantik - Grafiken des 19.Jahrhunderts
Auszüge aus dem Katalog zur Ausstellung
Vorwort | |||||
Als im Jahr 1 802 der Dichter und Philosoph Friedrich Schlegel das Mittelrheintal bereiste, ahnte er sicher nicht, dass seine Reisenotizen maßgeblich zur Entstehung der großen kulturgeschichtlichen Bewegung der Rheinromantik beitragen würden. Noch weniger würde er verstanden haben, warum seine Reise 200 Jahre später den Anlass für ein Jubiläum liefern sollte. Vermutlich würde sich 2002 niemand an Schlegels Reise erinnert haben, wenn sich nicht die Deutsche Zentrale für Tourismus darum gekümmert und das Jahr 2002 unter dem Motto „Reisen, wie die Flüsse fließen“ zum Jahr der Rheinromantik erklärt hätte. Aufwendig gestaltete Hochglanzbroschüren, große und kleine Ausstellungen rheinauf- rheinab zwischen Köln und Mainz, zahlreiche Reiseangebote zu den Sehenswürdigkeiten des Mittelrheingebietes - der Interessierte hat die Qual der Wahl. Umso mehr freue ich mich, dass Sie, lieber Leser, den Weg in unsere Ausstellung gefunden haben, wird sie doch in den Räumlichkeiten unseres Schlösschens präsentiert, das selbst in der Blütezeit der Rhein romantik erbaut wurde. Die „Grafiken des 1 9. Jahrhunderts“ entrücken uns in eine vergangene Epoche, sie zeigen uns, wie schön diese Landschaft einmal war. Oder seien Sie ehrlich, sie zeigen sie uns noch schöner, als sie einmal war. Doch bei aller Verzauberung durch diese schönen Ansichten sollten wir auch die Veränderungen wahrnehmen. Erkennen wir, dass wir täglich um den Erhalt dieser einzigartigen Kulturlandschaft, die sogar zum Weitkulturerbe erklärt werden soll, kämpfen müssen. Heute wie vor 200 Jahren begeistert uns die Kirche St. Peter, eindrucksvoll auf dem Bergrücken gelegen. Die Betontrasse der B9 beherrscht jedoch das Landschaftsbild. Der Blick vom Viktoriaberg in Remagen weit über das Rheintal ist auch heute noch unvergesslich, aber im Rücken des Betrachters steht die hässliche Ruine der Waldburg. Sicher fallen auch Ihnen spontan Beispiele ein. Viele Organisationen widmen sich heute der Denkmalpflege und dem Landschaftsschutz. Vielleicht kann das „Jahr der Rheinromantik“ dazu beitragen, das Bewusstsein um den Erhalt dieser einzigartigen Landschaft und ihrer Bauwerke zu schärfen. Mein herzlicher Dank gilt allen, die an der Realisierung der Ausstellung, an der Erstellung des Kataloges und der Organisation des „Internationalen Museumstages“ 2002 mitgearbeitet haben. Sinzig, April 2002 Agnes Menacher Leiterin des Heimatmuseums der Stadt Sinzig
|
|
||||
RHEINROMANTIK IM BILD - DIE GRAFIK DES 19. JAHRHUNDERTS | Erläuterung zu den Druckverfahren | ||||
von Hildegard Ginzler | |||||
Der Rhein ließ für Romantiker wie den Dichter und Philosophen Friedrich Schlegel nichts zu wünschen übrig. Er fand: „Kühne Burgen auf wilden Felsen, Denkmale der menschlichen Heldenzeit, sich anschließend an jene höheren aus den Heldenzeiten der Natur“. Der schöne Strom wird im 1 9. Jahrhundert „zum Gegenstand einer Sonderform jener literarischen und kulturellen Bewegung, die nach den klaren Höhen der Klassik wieder der Tiefe, der Sehnsucht, der Unendlichkeit und dem Mittelalter Ausdruck zu verleihen suchte: der Rheinromantik“. (Kruse, 5. 1 8) |
|
||||
Freilich begeisterte das Flusstal bereits Jahrhunderte zuvor, so den spanischen Granden Pero Tafur, der 1438 an den Strom kam und entzückt urteilte: „Die Ufer des Rheins gehören sicher zum Schönsten, was man auf der Welt schauen kann“. Ebenfalls 1438 schrieb der italienische Gelehrte Enea Silvio Piccolomini über den Mittelrhein, „dass diese ganze Gegend billig für ein Paradies geachtet und so genannt zu werden verdient“ (Schäfke, 5. 9). Zwei Künder aus einem damals noch überschaubaren Chor begeisterter Stimmen, der allerdings in der Romantik gewaltig anschwellen sollte.
|
|||||
Der sagenumwobene Rhein, seine mittelalterlichen Orte, Burgen und Berge reizten die frühen Besucher wie die im späten 18. Jahrhundert schon alljährlich erwarteten reisenden Engländer. Im 19. Jahrhundert strömte auf den Spuren der Dichter, die als Initialzünder der Rhein-Romantik gelten, eine wachsende Schar von Malern, Zeichnern, Kultur- und Vergnügungsreisenden an den Rhein. Die zu Tausenden kommenden Engländer hatte vor allem Lord Byrons „Childe Harold‘s Pilgrimage“ (1816), ein poetischer Höhepunkt der Rhein-Verehrung, an den Strom gelockt. Auch Friedrich Schlegel, Clemens Brentano, Heinrich Heine, Josef von Eichendorf, gefolgt von vielen Gelegenheitsliteraten, faszinierte das Rheinmotiv. Durch die Einführung der regulären Dampfschifffahrt 1827 wurde der Fluss zum enorm belebten Tummelplatz der Sehnsuchtsreisenden, denen im 1 9. Jahrhundert erstmals eine spezielle Reiseliteratur zur Verfügung stand, während die bis dahin bekannten Reiseschilderungen eher als persönliche Erinnerung gedacht waren. (Schmitt, 5. XIV, XV)
|
|||||
Erzählungen, Gedichte und poetische Tagebücher trugen entscheidend zur Popularisierung der Rheinromantik bei. Das Bild vom romantischen Rhein prägte im 19. Jahrhundert nicht die Malerei, sondern fast ausschließlich die Druckgrafik. Sie lehnte sich an einen im 1 7. Jahrhundert entwickelten niederländischen Bildtypus an, der die Landschaftsmerkmale - Flusswindungen, Burgruinen auf Bergen und kleine Städte -mit vielfältiger Staffage zum geschlossenen Bild zusammenschloss. (Czerannowski, 5. 36) Die heute fast nur noch als Einzelblätter anzutreffenden Aquatinten, Lithografien und Stiche waren ursprünglich Bestandteil illustrierter Reisebeschreibungen und Ansichtenfolgen. Sie konzentrieren sich auf den Abschnitt zwischen Köln und Mainz, wo die Rheinromantik, wegen der dort besonders dicht angesiedelten Sagen und Denkmäler, am üppigsten blühte. „Keine andere deutsche Landschaft kann auch nur entfernt eine vergleichbare Überlieferung quantitativ wie qualitativ aufweisen II...]“ (Schmitt, 5. IX).
Im letzten Drittel des 18. und in den beiden ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts enthalten die Rhein-Beschreibungen, abgesehen von den das Rheintal bizarr und düster skizzierenden Abbildungen John Gardners
|
|
||||
Zwischen 1820 und 1830 kamen mindestens 12 Veröffentlichungen mit eigenständigen neuen Ansichten heraus. Neben den Aquatinten in Isaak von Gernings A picturesque tour along the Rhine, from Mentz to Cologne, London 1820, den auf Architektur abzielenden pittoresken Lithografien von Samuel Prout (lllustrations of the Rhine), den wenig realistischen impressiven von Elisabeth Manners, Duchess of Rutland (A tour through part of Belgium and the Rhenish provinces (beide London 1 822) und den Stahlstichen in Robert Battys Werk Scenery of the Rhein (London 1826) gehören dazu die 36 nach Skizzen des Generals Howen gefertigten Vues pittoresques (Paris 1824) und acht ansprechende topografische Lithografien von Louis Haghe (Lays and legends ofthe Rhine, London 1827). 1826 veröffentlichte der auf RheinIllustrationen spezialisierte Frankfurter Verlag von Karl Jügel 12 bemerkenswerte Darstellungen der Franzosen Jean Baptiste Arnout, Louis Pierre Bichebois und Laurant lsidore Deroy. Der in der Düsseldorfer Akademie geschulte Johann Adolph Lasinsky schuf für Bädekers Rheinreise der ersten fünf Auflagen (1828-1848) kleine Umrisslithografien, und 1829 erschienen die 104 radierten Ansichten des Rheins von Friedrich Wilhelm Delkeskamp.
|
|||||
Als in den l830erjahren die illustratorischen Leistungen in England ihren Höhepunkt erreichten, standen sie in Deutschland noch am Anfang. Neben tradierter Reiseliteratur und britischen Prachtbildbänden kamen mit wachsendem Reisefieber populäre Reisebeschreibungen, Ansichtsserien und Leporellos auf. Zu den wichtigsten, international verbreiteten rheinromantischen Werken zählen William Tombleson‘s views ofthe Rhine (erstmals London 1 832). Tombleson lieferte beste Vorlagen und 50 Stechen setzten sie in 68 Mittelrhein-Darstellungen um, die über Jahrzehnte zur Fundgrube der Kopisten wurden. Auf Tombleson gehen auch einige der ausgestellten Stiche von der Sinziger Pfarrkirche zurück. Ebenfalls bei Kopisten beliebt: Travelling sketches in the north of Italy, the Tyrol and on the Rhine (London 1 832), für die Clarkson Stanfield atmosphärisch reizvolle Vorlagen beisteuerte. Weniger qualitätsvoll fielen die kontinentalen Illustrationen aus. An erster Stelle eigenständiger Grafiken sind die Bilderfolgen des Darmstädter Verlags Gustav Georg Lange zu nennen, der auch seine 34 in den 1 840er Jahren erschienen Lieferungen stets um neue Ansichten bereicherte. Seit der Einführung des Stahlstichs brachten speziell deutsche Verlage auch Ansichtenbände ohne Text heraus. Sehr viele Werke zeigten keine Neuschöpfungen, sondern bedienten sich älterer Vorlagen, die gelegentlich romantisierend koloriert wurden. 53 von 60 Stahlstichen vom Mittelrhein sind etwa im Werk Malerische Wanderungen am Rhein (Karlsruhe 1838) nach Tombleson‘s views kopiert.
|
|||||
1841/42 erschien George N. Wrights The Rhine, Italy and Greece illustratet mit exzellent gestochenen Zeichnungen von Leighton Leitch und William Henry Bartlett. In den stimmungsvollen Motiven führten sie zu einem Zeitpunkt, als das Interesse englischer Künstler und Verleger am Rhein stark nachgelassen hatte, noch einmal pure Rheinromantik vor. Dagegen erlebten die Rheinillustrationen in Deutschland zwischen 1840 und 1850 ihre Blütezeit mit den erst jetzt entstehenden umfassenden Stahlstich-Folgen. Sie stellten das Reservoir für ständig neu variierte Alben dar, die aber mindestens Mainz und Köln als Ausgangs- und Endpunkt der Reise zeigten. Als malerische Elemente beinhalteten die gefühlsbetonten Souvenirs - die ansprechendsten kamen von Karl Jügel in Frankfurt - bevorzugt den Spiegel des Stromes und seine malerischen Ufer mit Burgen, solitäre Ruinen und einfaches ungetrübtes Landleben durch Personenstaffage. Zu den besten Rhein-Illustrationen überhaupt gehören die gouachierten Aquatinten des Zyklus Ouvrage representant en 70 ä 80 feuilles les vues les plus pittoresques des Bords du Rhin (Schaffhausen um 1 840), für den der berühmte schweizerische Maler Johann Ludwig Bleuler die Vorlagen schuf. Rhein-Beschreibungen, darunter zahlreiche Plagiate, gab es inzwischen in großer Zahl, zwischen 1840 und 50 waren es rund 85 Publikationen. Unermüdlich kamen die Verlage der Sehnsucht nach emotional aufgeladenen Rhein-Bildern nach, bis sich in den 1860er Jahren die publizierten Werke halbierten und man überwiegend altes Bildmaterial notdürftig aktualisierte, also etwa Rheinbrücken oder den Neubau von Schloss Stolzenfels einfügte.
|
|||||
Ende der 1 860er Jahre nahm die Bedeutung der Druckgrafik ab. Die Fotografie kam auf und mit ihr der erste Band fotografischer Rheinansichten im Jahre 1853. Nach 1 870 erschienen nur noch wenige illustrierte Rheinbeschreibungen, darunter Vom deutschen Rhein (1 876/77), eine lithografierte Ansichtenfolge nach Aquarellen von Caspar Scheuren, einem Schüler der Düsseldorfer Kunstakademie. Rund 20 Jahre alte Blätter Scheurens erlebten unter dem Titel Der Rhein von den Quellen bis zum Meere (Laar 1 880f.) eine Neuauflage. Als Behältnis für die ungebundene prunkvolle Blattsammlung lieferte der Verlag eine massive Holzkiste. „Spätestens mit dieser pompösen publizistischen Inszenierung fand das einst liebenswürdig geprägte Bild vom Rhein sein Ende.“ (Schmitt, 5. XLVI) Bevor aber die Druckgrafik als Stimmungs- und Informationsträger ausgedient hatte - und die Fotografie das Bildinteresse auf eine nie gekannte detailgetreu die Realität einfangende Optik lenkte - konnte sie fast ein Jahrhundert lang mit einem idealisierten romantischen Bild vom Rhein und seinen pittoresken Ufern „Interesse, Sehnsucht und Begeisterung für diese Landschaft wecken und wach halten“ (Schmitt, 5. XLVI). |