Blick aktuell-Sinziger Zeitung 10/2005
Sinziger Schlossgeschichten |
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Auf ihr kamen Könige, Pilger und Kaufleute Geschichte anschaulich gemacht: Modell im Heimatmuseum zeigt kleinen Abschnitt der rund 1000 Jahre genutzten Aachen-Frankfurter Heerstraße |
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von Hildegard Ginzler | ||||||
Bäume, Zäune, Wiese und Feld, dazu ein Gehöft und ein unbefestigter Fahrweg. Das von Grafik-Designer Andreas Schmickler jüngst Museumsleiterin Agnes Menacher überlassene schöne Modell zeigt eine ländliche Idylle in Miniatur. Der Bauhof der Stadt Sinzig hat die Dauerleihgabe präsentabel gemacht, indem er ihr ein Untergestell aus Holz verpasste und sie unter die Plexiglashaube brachte. Seitdem kann sie an einem Fensterplatz in der stadtgeschichtlichen Abteilung des Museums rundum betrachtet werden. Gewiss zur Freude der Kinder, die sich schon immer vom großen Stadtmodell, mit dem Franz Steinborn Sinzig um 1650 festhielt, haben faszinieren lassen.
So weltabgeschieden wie der mit Flechtwerk abgezäunte Ort Kirchdaun beim flüchtigen Besehen wirken mag, war er aber mitnichten. Südlich davon strömte der „Verkehr“ der insgesamt 252 Kilometer langen Aachen-Frankfurter Heerstraße (AFH), wie sie später genannt wurde, einer der bedeutendsten im Mittelalter genutzten Straßen und darüber hinaus Glied des großen niederländisch-italienischen Straßenzuges, der von Flandern über Augsburg nach Oberitalien führte. Im Modell nimmt man zweirädrige Planwagen, ritterlich gewandete Mannen, Soldaten, zu Fuß und zu Pferde, aber auch mit Kutten bekleidete Gestalten wahr. Von den unterschiedlichsten Beweggründen geleitet, zogen Unzählige ihres Weges. Ab 1028, als Aachen für rund 500 Jahre Krönungsstadt der deutschen Könige wurde, mussten diese nach ihrer Wahl in Frankfurt die Reise nach Aachen antreten; meist nutzten sie dazu die AFH. Rund tausend Jahre, vom 8. bis 18. Jahrhundert, war die Straße Handels-, Pilger-, Poststraße und Krönungsweg, diente er deutschen Kaisern und gottesfürchtigen Pilgern, reichen Kaufleuten und plündernden Gesellen. Doch schon im 19. Jahrhundert erinnerten vielerorts nur noch Flurnamen an ihre einstige Existenz.
Neue Verkehrswege und der Bau der Eisenbahnstrecken seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ließen Teile des AFH binnen weniger Jahrzehnte zu unbedeutenden Feldwegen werden. Die Flurbereinigungen haben meist auch diese beseitigt. Andreas Schmickler, dem die alten Wege als schützendwerte Denkmale und für die Landschaft bedeutsame Biotope am Herzen liegen, beschäftigt sich seit zwölf Jahren mit dem Verlauf der Straße. Er recherchierte beim Landeshauptarchiv Koblenz, ging bekannte und mutmaßliche Streckenabschnitte ab, und seit 1994, als Luftaufnahmen nicht länger genehmigungspflichtig waren, hob er ab, um sich mit Hilfe der Fotografie, die mitunter bessere Befunde als das Gelände in Nahsicht liefert, ein genaueres Bild zu machen. Derzeit arbeitet er an einer Veröffentlichung über die AFH. Das Modell schuf Schmickler gemeinsam mit Frank Brüninghaus für eine AFH-Ausstellung des Museums in Ahrweiler (1998). Aber auch in Sinzig ist es trefflich aufgehoben, findet Agnes Menacher. Dort führte die Straße, die wegen der Pfalz unter anderem für Barbarossa wichtiger Etappenort wurde, durch die Stadt und verlieh ihr Bedeutung. Über die heutige Landskroner Straße stieß sie zur Ahr vor, überquerte den Fluss per Brücke (nahe dem Spessartsteg) und bog kurz darauf nach Bodendorf ab. Hinter Bodendorf verlief die Straße hangaufwärts. Im Bereich der „Kaiserkammer“ (mündlich überlieferter Name) suchten sich die Nutzer immer wieder neue Wege, weil die ausgefahren Teilstücke, „wenn einmal der Keil da war“, so Schmickler, unbrauchbar geworden waren. Auch Jürgen Haffke schreibt im Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1990, dass der Aufstieg aus dem unteren Ahrtal über Bodendorf auf die Grafschafter Hochfläche wohl nicht als fest definierter Weg zu begreifen ist, sondern als Wegesystem, dessen Varianten sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet haben.
Das Modell zeigt im Maßstab 1:80 einen kleinen Abschnitt der AFH. Dargestellt ist eine Situation des 14. Jahrhunderts. Durch den südlich des Ortsrandes verlaufenden Hohlweg, eine typische Wegeform der Straße in lössreichen Gegenden wie der unsrigen und in Kirchdaun als „Alte Straße“ und „Königsgraben“ bezeichnet, kommen Berittene, Wagenführer und weiteres Fußvolk. Sie tragen Schilde und Helme, ihre Pferde sind mit Umhängen geschmückt. In den 1950er und 1960er Jahren wurde die Kirchdauner „Hüll“ als Mülldeponie genutzt, in den 1970er Jahren bebaut, sodass von ihr nur noch der Rand einer Hohlwegflanke erhalten blieb. Das Einzelgehöft zwischen Ort und Hohlweg soll ein Hospital vorstellen. 1606 ist eines für Kirchdaun belegt und hat vermutlich, wie solche Einrichtungen meist, außerhalb des Ortes gestanden. Zusammen mit den Begleitinformationen im Schloss dürfte das Modell auch eine interessante Quelle für den Unterricht sein. „Wenn Lehrer klug sind, können sie anhand von Modellen viel Geschichte anschaulich machen und vertiefen“, ist Agnes Menacher überzeugt. Darüber hinaus, so Schmickler, lassen sich auch die Schritte von der Forschung zur Rekonstruktion aufzeigen. HG |