Sinziger  Schlossgeschichten

„Die Bilder sind nicht nur gemalt, sie sind gelebt“

Die Volksbank Mittelrhein und das Heimatmuseum Sinzig präsentieren 
„Steinzeitmoderne – Zeitgenössische Malerei der Aborigines“

von Hildegard Ginzler, Sinzig

„Steinzeitmoderne – Zeitgenössische Malerei der Aborigines“ heißt die neue Ausstellung im Sinziger Schloss, die in Kooperation der Volksbank Mittelrhein und des Sinziger Heimatmuseums eine Malerei präsentiert, die wohl einzigartig ist. Zur Vernissage in der „guten Stube der Stadt“ hieß die Kreis- und Stadtbeigeordnete Charlotte Hager in Vertretung von Bürgermeister Wolfgang Kroeger die Gäste willkommen. Die aktuelle Schau mit Werken bekannter australischer Künstler wie Clifford Possum, Mary Dixon, Janet Forrester, Billi Stockman, Biggi Billa oder Eunice Napangardi, bezeichnete sie „als echte künstlerische Bereicherung für Sinzig“ und die Exponate als „außergewöhnliche unverfälschte Volkskunst“. Museumsleiterin Agnes Menacher betonte, es sei wichtig, dass sich die Bevölkerung mit ihrem Museum identifiziert. Es gehe darum, „dem Besucher immer wieder interessante Gelegenheiten zu bieten, unser schönes Schlösschen und Museum zu besuchen“.

 

Neue Besuchergruppen sollen durch „die unterschiedlichsten Kulturangebote, die über die Sammlung eines normalen Heimatmuseums weit hinausgehen“, erschlossen werden. Von der „Steinzeitmoderne“ verspricht sich Menacher in besonderem Maße auch das Interesse junger Menschen zu wecken. Denn in diesen Wochen werden sich Schüler des Rhein-Gymnasiums künstlerisch mit diesen Bildern auseinandersetzen, um ihre Ergebnisse anschließend ebenfalls im Museum zu zeigen (Juni und Juli).

Jan Overath, (v. l.), Klaus Reger, Agnes Menacher, Rosemarie Bassi und Thomas Overath in der neuen Ausstellung „Steinzeitmoderne“

Welch hohe Wertschätzung den Bildern der Ureinwohner gebühre, legte Galeristin Rosmarie Bassi von der Villa Rolandseck unmissverständlich dar. „Da ist mehr drin als Symbolkraft, mehr als ikonographische Inhalte, es ist eine Aura, eine Bildtradition, die zu uns spricht. Die Bilder sind nicht nur gemalt, sie sind gelebt.“ Die Vorläufer dieser Arbeiten wurden von ausgewählten Stammesmitgliedern zwecks Weitergabe der Tradition in den Sand gemalt. „Danach haben die Menschen sie in sich selbst festgehalten, wir müssen alles aufschreiben“, verwies Bassi auf Unterschiede zwischen den Nomaden, die sich jeglichen überflüssigen Ballastes entledigten und uns modernen Sesshaften. Die Werke beinhalteten die Träume nicht eines einzelnen, sondern eines ganzen Klans, die über Symbole transportiert werden. Auch weil man die Ausstellungsstücke aus der Sammlung von Klaus Reger in dieser Form kaum noch zusammenbekomme, seien sie etwas ganz Besonderes.

Anne Pwerles Punkte-Bild verzeichnet Ruheplätze mit Frauen und Bewegungslinien im Lebensraum der Ureinwohner

Erfreulicherweise war zudem der Sammler selbst anwesend, um über seinen Weg zur Aboriginal-Art zu berichten. Klaus Reger, von seinem Freund, dem Kunsthistoriker Reinhold Mißelbeck, auf die Leinwandmalerei der australischen Ureinwohner hingewiesen, begab sich, Anfang der 90er Jahre, ohne Näheres zu wissen, nach Australien, wo in den Dekaden der 80er und 90er Jahren die Aborigines keinen guten Stand hatten. Durch Zufall stieß er in Melbourne auf den Maler Biggi Billa. Von ihm stammt das Bild mit den zwei Kängurus im Schloss, die das Diesseits und Jenseits symbolisieren. Die traditionellen Darstellungen wurden entweder als Körperbemalung, Bilder auf Baumrinde oder im Sand realisiert. Auch Reger betonte die ursprüngliche Vergänglichkeit der Malerei. Bilder im Sand, auch mit Schmetterlingsflügeln, Steinen und Vogelfedern gestaltet, lagen einen Tag zur Ansicht und Verinnerlichung aus, bevor sie in der Nacht zertanzt wurden. Sie enthalten Elemente der Mythen aber auch sehr weltgebundene Mitteilungen, informieren über das Vorkommen von Wasserlöchern (konzentrische Kreise), Buschlandwege, Ruheplätze und Vorkommen von Jagtieren mittels vereinfachter Spurendarstellungen. Die Weltauffassung der Urbevölkerung, die sich auch in den Leinwand-Bildern spiegelt, drehte sich um die Traumzeit, ein kompliziertes und allumfassendes Konzept, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen einbezieht und ebenfalls die Zeit der Erschaffung zum Anbeginn der Zeit umfasst, während der mythische Wesen das Land formten, es mit Tieren, Menschen und Pflanzen besiedelten und dem sozialen Zusammenleben eine erste Form verliehen. Das erklärt, warum die Bildinhalte so komplex sind, warum die Arbeiten soviel gebündelte Kraft ausstrahlen. Für viele Aborigines erwies sich die Malerei als segensreich, da sie tausenden Künstlern und ihren Gemeinden ein Einkommen sichert. Menschen, die oft abhängig von der Wohlfahrt waren, erhielten so wieder Hoffnung.

Dieses Bild gibt es zweimal: Eines hängt im Sinziger Schloss, das andere schenkte der Maler Clifford Possum Tjapaltjarry der englischen Queen Elisabeth II.

Eine Einstimmung auf die Malerei erfuhren die Schlossbesucher durch wundervolle Fotos von Jan Overath, die der Biologiestudent während eines Praktikums im Sturt’s National Park New South Wales aufnahm. Mit Queensland ist es der Bundesstaat mit dem größten Anteil an Aborigines. Dort leben je 26 Prozent der gesamten Ureinwohner Australiens. Overath zeigt uns eine weite Landschaft, Kängurus, Eukalyptusbäume, Blüten und die Relikte von aufgegebenen Schaffarmen in Form verrosteter Viehkarren. Thomas G. Gillmeister, der in Australien aufwuchs, lieferte während der Eröffnung auf selbstgebauten Didgeridoos, den traditionellen Musikinstrumenten nordaustralischer Aborigines, die passenden Klänge zur Ausstellung.