Romanik und Barock im Dorfkern von Wehr
Denkmalverein Sinzig sah sich bei Exkursion in der Nachbarschaft um
Wehr. Sich dort näher umzuschauen, wo man sonst immer nur vorbeifährt – das hatte sich der Verein für Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig vorgenommen, als er das Dorf Wehr nahe der Autobahn 61 in der Verbandsgemeinde Brohltal zum Ziel einer Exkursion machte. Und die aus 25 Mitgliedern und Gästen bestehende Gruppe erfuhr Erstaunliches zu dem heute knapp 1300 Einwohner zählenden Ort. Erich Scharrenbach vom Brauchtums- und Verschönerungsverein Wehr erläuterte detailliert den historischen Kern des Dorfes, der auch dessen Bedeutung in der Geschichte belegt. Die Kirche St.Potentinus mit Pfarrgarten und die Hofanlage daneben erzählen alles zu Wehr und seiner seit der Ersterwähnung 920 nachgewiesenen Entwicklung.
Die Hofanlage stammt aus der Zeit um 1730 und hatte zunächst als Kellnerei des Klosters Steinfeld gedient, das bis zur Säkularisation durch die Franzosen ab 1802 die Herrschaft über Wehr ausgeübt hatte. Das stattliche Probsteigebäude diente als Pastoren- und Lehrerwohnung, als Schule und Rathaus und beherbergt heute noch Grundschule und Gemeinschaftsräume der Ortsgemeinde. Den großen, heute noch zentral genutzten Platz umschließen alte Wirtschaftsgebäude, inzwischen verändert und zum Teil zu Wohnhäusern umgebaut. Während der französischen Besetzung bis 1815 bildete Wehr einen eigenen Kanton im Departement Rhein und Mosel. Am Rande des Platzes findet sich der historische Gerichtsplatz, heute mit einer alten Linde markiert.
Unerwartete Eindrücke konnte Scharrenbach seinen Gästen in der Pfarrkirche St. Potentinus bieten. Sie ist ein Barockerbau von 1702 mit sehr früher barocker Ausstattung. Der Raum ist geprägt von Hoch-, zwei Nebenaltären und weiterer schmückender Ausstattung, vor allem von einer Vielzahl hochwertiger Holzfiguren, die Jesus Christus, Maria, die Apostel und einige Heilige darstellen. Der Meister ist bekannt und steht in engem Bezug zum Ort: Der Steinfelder Mönch Michael Pirosson stammte aus Wehr und ist dort auch beigesetzt. Eine Zeit lang waren in der Kirche Bodenfliesen aus Sinzig verlegt – mit diesem Thema hatte sich das HeimatMuseum Schloss Sinzig im vergangenen Jahr intensiv befasst. Der Turm der Kirche wurde schon 1230 erbaut, zeitgleich und im Stil ganz ähnlich wie der romanische Klosterbau Maria Laach. Das dazugehörige Kirchenschiff wurde seinerzeit für den barocken Neubau wegen Baufälligkeit abgetragen.
Voller Stolz – und zwar aus doppeltem Grund - zeigte Erich Scharrenbach den barocken Pfarrgarten. Dass er sich heute in dieser Pracht – sogar einige Reihen von Reben („Wehrer Probsteitropfen“) gehören dazu – präsentiert, ist das Verdienst des Brauchtums- und Verschönerungsvereins. Mitglieder haben ihn nicht nur so hergerichtet, eine „Rentnerband“ genannte Gruppe „Ü 60“ pflegt ihn auch in nachhaltigem Einsatz einmal pro Woche! Das milde Klima im Wehrer Kessel hat hier seine Auswirkungen, der Boden gilt als besonders fruchtbar. Es lässt sich viel entdecken in diesem Garten, unter anderem 30 Vertiefungen in der Außenmauer, in denen einst Bienenvölker ihr Zuhause hatten.
Bei der abschließenden Einkehr in einer Dorfgaststätte bedankte sich Vorsitzender Dr. Günther Schell für die Gäste aus Sinzig bei Erich Scharrenbach. Wieder einmal habe sich die Erkenntnis bestätigt: „ …liegt das Gute doch so nah“. Die Besucher würden nun nie mehr auf der Autobahn an Wehr vorbeifahren, ohne an die eindrucksvolle Führung durch den historischen Ortskern zu denken.
Die Gruppe des Sinziger Denkmalvereins erfährt viel Interessantes von Erich Scharrenbach aus Wehr.
Text und Bilder (c) 2012 Matthias Röcke