Denkmalpflege – heutige Sicht auf frühere Epochen
Hans Seul führte den Denkmalverein zu bekannten und „versteckten“ Plätzen in Sinzig
Sinzig. Ein Stadtrundgang durch Sinzig unter kundiger Führung – dieser Einladung des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig folgten mehr als 50 Interessierte. Sie erhielten von Hans Seul, als Architekt in den Diensten der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler tätig und früher über viele Jahre Vorsitzender des Vereins, Zugang zu Aspekten der Architektur und der Denkmalpflege im heutigen Erscheinungsbild Sinzigs.
Dabei war es Hans Seul wichtig, alle Erkenntnisse und Bewertungen zu den Zeugnissen einer Epoche und zu der Epoche selbst als Sichtweise einer bestimmten Zeit anzusehen, nicht als die absolute Wahrheit. Das erläuterte er an Hand des Stadtmodells zu Sinzig im Mittelalter im Museum Schloss Sinzig und des neugotischen Schlossbaus von 1855. Beides entspricht idealisierenden Sichtweisen auf frühere Epochen, beim Modell aus dem 20. Jahrhundert, beim romantisierenden Schlossbau aus dem 19. Jahrhundert.
Die Gruppe begab sich nun auf Spuren des Mittelalters in Sinzig, die vor allem im Zusammenhang mit der Stadtbefestigung von 1297 zu finden sind, so in der unteren Mühlenbachstraße am Standort des früheren Stadttores und in der früher zur Mauer hin freien Ringstraße (Kalkturmstraße/Torhausgasse). Diese war nötig für die Verteidigung, erst als sich die Waffentechnik änderte und die herkömmliche Abwehr nicht mehr viel Sinn machte, wurde die Straße auch zur Mauer hin bebaut. Im Bereich der Harbachstraße erläuterte Seul frühere, heute als fehlerhaft erkannte Restaurierungsmethoden (Verwendung von Zementmörtel) und heutige (Verfugen mit Ahrkies). An diesem Platz plädierte Seul unter Zustimmung der Gruppe für eine weitere Freilegung der Stadtmauer.
Immer wieder kamen während der sehr interessiert aufgenommenen Exkursion Fragen der Denkmalpflege auf. Hans Seul erläuterte am „lebendigen“ Beispiel, wie sich die Wertigkeiten ändern. Was heute als harmonisch schön und historisch wertvoll angesehen wird, etwa ein Haus in Bruchstein und mit Fenstereinfassungen aus Basalt, war zur Bauzeit im 18. Jahrhundert ein Zeichen fehlenden Geldes, weil der Bauherr am Verputz sparen musste. Fachwerk wurde unter Putz gelegt, damit man das Haus für ein Steinhaus hielt, während Fachwerk heute als Inbegriff des Romantisch-Alten und als besonders hochwertig gilt.
Überhaupt die Denkmalpflege: Da konnte Hans Seul aus erster Hand berichten, wie sich der Verein einst im Engagement für ein Denkmal und gegen den Zeitgeist formierte – es ging um den Sinziger Zehnthof in den 1980er Jahren. Heute ist die Stimmung eine andere, Denkmalschutz und Denkmalpflege sind in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert und werden auch seitens der Fachbehörde flexibler gehandhabt als früher. Seul wies auf Bauten der 1950er in der Ausdorfer Straße hin, die heute als Zeugnisse einer abgeschlossenen Epoche den Status des Denkmals beanspruchen könnten – so das flache Gebäude eines schon lange leer stehenden Supermarktes im unteren Abschnitt.
Einen städtebaulichen Aspekt bot der Gang durch die Grabenstraße. Hier ist derzeit ein Umbruch zu beobachten, junge Bewohner und Hausbesitzer folgen auf die inzwischen alt Gewordenen und bringen neues Leben in derzeit noch etwas grau wirkende Nebenstraße – ein Zyklus, wie er sich ständig irgendwo in der Stadt wiederholt. Der Schlusspunkt des zweieinhalbstündigen Rundgangs war dann wieder der Denkmalpflege gewidmet. Vor dem Gebäude der Kreissparkasse in der Bachhovenstraße, für dessen (bessere) Gestaltung sich seinerzeit der Denkmalverein eingesetzt hatte, dankte unter großem Beifall der Gruppe der heutige Vorsitzende Dr. Günther Schell seinem Vorvorgänger für die vielseitige und vielschichtige Führung.
Zu seiner nächsten Veranstaltung lädt der Verein am 14. April ein – zu einem Besuch mit Führung des Arp Museums in Rolandseck. Gäste sind wie immer willkommen.
Der frühere Vorsitzende Hans Seul (Mitte) führte die Gruppe des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums durch Sinzig. Fotos: Privat
(c)2012 Matthias Röcke