Sinziger Schloss von Kopf bis Fuß auf „Rhein! Lyrische Landschaften“ eingestellt

Kurt Roessler und Rolf Stolz zeigen Zeichnungen und Fotografien

 

Sinzig. „Rhein! Lyrische Landschaften“ ziehen sich im Heimatmuseum Schloss Sinzig vom Parterre bis zum zweiten Stock. Der in Bornheim lebende, ebenso in der Kosmochemie wie in der Kunst tätige Kurt Roessler zeigt sparsam kolorierte Zeichnungen und der Schriftsteller, Fotograf und Diplom-Psychologe Rolf Stolz aus Neunkirchen-Seelscheid beteiligt sich mit analog aufgenommenen, aber zum teil digital bearbeiteten Fotografien. Eine „Lyrische Landschaft“, das ist, angelehnt an den französischen Begriff „paysage sentimental“, für Roessler „ein Integra­tions­ort“, der eine tatsächliche Landschaft mit ihrer Überhöhung und Interpretation in der Kunst „zu einem Ganzen ver­schmilzt“. Die lyrische Landschaft hilft, laut Roessler, „im Rückgriff auf aktuelles und früheres Schönes und Bemerkenswertes die aktuellen Auswüchse des Verkehrs, der Bebauung und der Indu­stria­li­sie­rung als nur tem­po­rär zu ertragen“.

Also geht es bei der jüngsten Präsentation, „nicht um summende Bienchen und Blümchen“, wie Charlotte Hager im Schloss bekundete. Die 1. Beigeordnete der Stadt hob lobend hervor, dass Sinzig den Museumstag am Sonntag um die vorgezogene Vernissage und das Samstagabend-Konzert erweitere. Selbst die Ausstellungseröffnung geriet zu einem kleinen Konzert. Akzentuiert und hingebungsvoll spielten Sonja Asselhofen am Cello und Michael Hänschke am Klavier Werke von Ludwig van Beethoven, Richard Strauss und Bernd Hänschke. Das war nicht nur hörens-, sondern mit Blick auf die beredte Mimik auch sehenswert.

Reiz des Bildermachens

Museumsleiterin Agnes Menacher erinnerte an die „Rheinromantik“- Ausstellung im Schloss vor zwölf Jahren, die im Jahr der Rheinromantik des Beginns der kulturgeschichtlichen Bewegung mit der Reise des Dichters und Philosophen Friedrich Schlegels durch das Mittelrheintal gedachte. Obgleich die Blütezeit der Kupfer-, Stahl- und Holzstiche, die damals das Bild der Flusslandschaft massenhaft verbreiteten, vorbei sei, „ist der Reiz, die Rheinlandschaft im Bild festzuhalten, geblieben“, erklärte Menacher. Ihr schloss sich Bernd Hänschke mit seinem Grußwort an. Der Komponist und Vorsitzender des Kunstvereins Kunstgeflecht, zu dessen Mitgliedern auch die Aussteller zählen, sagte: „Wir sehen den Rhein als Sinnbild für das auf- und abschwellende Ungreifbare des Schöpferischen“.

Greifbar jedoch wurde der Strom, als Festredner Nikolaus Gatter, Vorsitzender der Varnhagen-Gesellschaft, die Rheinreisen des deutschen Chronisten Karl August Varnhagen von Ense (1785-1858) lebendig aufscheinen ließ. So gehörte der Umzug der Familie per Schiff von Düsseldorf nach Straßburg „zu den vergnüglichsten Ereignissen meines jüngern Lebens“. Die Kinder sahen während der Fahrt Pferde das Schiff mühsam fortziehen. „Erhob sich günstiger Wind, so wurden auch Segel aufgespannt, selten kam die Anstrengung hinzu, daß auch Stangen zum Abstoßen gebraucht wurden.“ Im fortgeschrittenen Alter auf dem Rhein unterwegs, besuchte Varnhagen etwa Köln, Bonn und die Remagener Apollinariskirche. Deren kunstfertige Ausmalung pries er in den höchsten Tönen, um zuletzt den Widerstreit zwischen Kunst und Religion zu enthüllen, die wundervolle Wandgestaltung eitel zu schelten und zu resümieren: „Ich sehe nur Dünkel und Luxus“.

Vielschichtige Landschaft

Wie der gebildete Adelige hinter die Dinge sah, nimmt auch Roessler, wissend um Historie und Kulturgeschichte der Landschaft, diese vielschichtig wahr. Er gibt sie in Aquarell und Tusche als einfallsreiche Text-Bild-Gefüge wieder. In grafischem Duktus fängt er den Kölner Dom ein, welcher auf einem Gedicht Apollinaires fußt. Gleichsam verflüssigter Drucksatz bringt das Poem „Milchstraße“ zur Anschauung, und lokale Beiersprüche, zum rhythmischen Glockenanschlagen ersonnen, fließen in Zeichnungen vom Vorgebirge ein. Inhaltlich sehr anspruchsvoll und daher ohne Erläuterung nicht nachvollbar sind auf jeden Fall jene vier Blätter mit Siebengebirgssilhouette und Dichterzeilen, die Roessler den Juden auf der Wolkenburg gewidmet hat. Um Ausschreitungen gegen die Juden vorzubeugen, überließ ihnen die Kölner Obrigkeit, nachdem es am Vorabend des ersten Kreuzzuges 1096 zum europäischen Massenpogrom gekommen war, im Jahr 1146 vor dem zweiten Kreuzzug die Wolkenburg zur Selbstverteidigung. Eingebaut in diese Arbeiten ist ein Gedicht des in Bonn geborenen jüdischen Gelehrten Ephraim bar Jakob (1122-um 1200) über den Bibeltext, in dem Abraham seinen Sohn Isaak töten soll.

 

Leben mit allen Zwischentönen

Unmittelbarer, weil ganz dem Hier und Jetzt entrissen, erschließen sich die Foto-Arbeiten von Rolf Stolz. Der Dom, gewollt verpixelt im Abendrot, urbanes Abendleuchten von Leverkusen, beste Kumpels aus Köln-Mülheim, sind ebenso Motive wie die Liebesschlösser von der Hohenzollernbrücke und zwei, im Venenschonmodus sich der Sonne hingebende ältere Damen. Es gibt ein Bild füllendes blaues Graffiti, die Ästhetik einer Fabrikdachlandschaft und eine Parkszene mit Rastendem. Vor einer grauen Mauer steht ein völlig kahler, brutal beschnittener Baum. Trauriges, Überraschendes und Heiteres halten sich die Waage. Das Leben will gelebt werden, scheint Stolz zu verkünden, und zwar in all seinen Zwischentönen.

Die Ausstellung im Schloss Sinzig, Barbarossastraße 35, ist bis 26. August geöffnet, Donnerstags von 10 bis 12 Uhr sowie Samstags und Sonntags von 14 bis 17 Uhr.



 

Museumsleiterin Agnes Menacher (r.) begrüßt die Vernissage-Gäste im Schloss,
besonders die Künstler Rolf Stolz  und Professor Kurt Roessler
(Erste Reihe, 2. u. 3. v. l.).

 

Für die Musikbeiträge von Sonja Asselhofen Michael Hänschke gab es Applaus
und Blumen.

 

Besucher betrachten im Treppenhaus Arbeiten von Kurt Roessler.

 

Fotograf Rolf Stolz (l.) erläutert den Vernissage-Gästen seine Arbeiten.

 

 

(c) Mai 2014

 

Text und Fotos: Hildegard Ginzler