Kleinod der Neugotik und Pilgerstätte
Dr. Erhard Wacker erläuterte dem Sinziger Denkmalverein Aspekte der Apollinariskirche in Remagen
Sinzig. Ein Kleinod der Neugotik, himmelstrebend, filigran und dem Vorbild des Kölner Doms nacheifernd, war Ziel des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig. Die 27-köpfige Gruppe ließ sich von Dr. Erhard Wacker Wissenswertes rund um die Apollinariskirche vermitteln.
Auf vielen rheinromantischen Ansichten ist das Bauwerk mit den spitzen Türmen festgehalten. Dies zeigt auch die aktuelle Ausstellung Malerisch und monumental – Rheinische Motive zwischen Hammerstein und Drachenfels“ im Sinziger Schloss. Von Haus aus Physiker, erkundet Wacker, Mitglied im Förderverein Apollinariskirche, seit Jahren die Historie der Wallfahrt und des Sakralbaus. Vor einer Power-Präsentation über Besonderheiten der Kirche gab er einen kurzen Abriss zur Geschichte. Anders, als vielfach behauptet, gebe es für den Standort der Kirche „keinen Hinweis auf ein römisches Heiligtum oder ein frühfränkisches“. Erst das Jahr 1110 ist belegt, als die Siegburger Benediktiner, dem Wunsch der Remagener folgend, eine Propstei erbauten. 1836 erwarb Freiherr (ab 1840 Graf) Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim die 1802 durch den französischen Staat aufgelöste Propstei und Kirche. Für die Planung seines privat finanzierten Neubaus gewann er den renommierten Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner. 1839 war die Grundsteinlegung. Von 1843 bis 1853 malten Künstler der Düsseldorfer Malerschule das Gotteshaus aus.
Die Wallfahrt lässt sich erstmals 1295 nachweisen. Zur ihrer Betreuung hatte der Bauherr die Franziskaner nach Remagen geholt. Doch überließ er ihnen nicht die Wohngebäude der Benediktiner, sondern einfachere Räumlichkeiten. Sie kamen im Jahr der Kirchenweihe 1857, zu der auch die Kopfreliquie des Heiligen, der bei Kopfkrankheiten und Epilepsie angerufen wird, von der Pfarrkirche auf den Berg zurückkehrte. Welchen Einfluss das auf die Wallfahrt hatte, konnte Wacker den Ausgaben für Hostien entnehmen. 150 Jahre lang wirkten die Franziskaner segensreich in Remagen, bis es 2006 zu wenige waren. Ihnen folgte die „Gemeinschaft der gekreuzigten und auferstandenen Liebe“ nach. Drei bis sechs Angehörige kümmern sich seither, übrigens „sehr erfolgreich“, um Kirche und Wallfahrt. Freiwillige Helfer unterstützen sie. „Gartenpflege, Toiletten säubern, Kuchen backen“, nannte Wacker die Stichworte: „Vor zwei Jahren wurden 900 Kuchen nur für die Wallfahrtszeit gebacken“, weiß er. 12000 bis 14000 Pilger kommen heute zur zweiwöchigen Apollinariswallfahrt im Juli und August. Dabei wird auch das „Haupt“ mit der Reliquie wieder aufgesetzt.
Der Graf hätte „sein Leben mit Champagner und Pferdewetten verbringen können“, sagte Wacker. Aber er war ein religiös und kulturell interessierter Mann. Für seine Kirche, die im Grundriss die Form eines griechischen Kreuzes hat, wählte er eine Ausstattung vom Feinsten. Die Bodenfliesen lieferte das Sinziger Werk. Im Chor jedoch liegen Spezialfliesen aus England. Auch wünschte sich der Bauherr ausgedehnte Malflächen. Friedrich Wilhelm Schadow und seine Schüler, die Nazarener-Maler Ernst Deger, die Brüder Andreas Müller und Karl Müller sowie Franz Ittenbach waren zehn Sommer lang damit beschäftigt, Szenen aus dem Leben Jesu, Mariens und des heiligen Apollinaris umzusetzen. Ihre Malkunst war hochstehend, aber für die Fresko-Technik, das Arbeiten in den nassen Putz, fehlte ihnen die Erfahrung. Ablösende Malschichten erforderten immer wieder Restaurierungen, wie die gesamte Kirche allein bis 2003 4,7 Millionen Euro Sanierungskosten verschlungen hat.
Noch bevor das Gotteshaus fertiggestellt war, besichtigten Mitglieder des Königshauses das Bauwerk. Etwas an Reiz eingebüßt hat es, nachdem ein Denkmalpfleger in den 1950ern die Dekorbemalung im Sockel entfernen ließ und 1985 die heutige Orgel vor dem Fenster die alte ersetzte, was die Kirche dunkler machte. In der Krypta sahen die Gäste den Stein-Sarkophag, der die Reliquie beherbergt und an der Mauerumrandung im Freien genossen sie den herrlichen Ausblick auf den Rhein und das Siebengebirge. Karl-Friedrich Amendt dankte als Vorsitzende im Namen des Denkmalvereins Erhard Wacker für die ausschlussreichen Erläuterungen.
Am Donnerstag, 30. Juni, 19 Uhr, spricht beim „Turmgespräch“ des Vereins im Sinziger Schloss Dr. Georg Cornelissen, Sprachwissenschaftler im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn, über „Was ist Rheinisch - und wie verhält es sich zum Sinziger Platt?“
Dr. Erhard Wacker erläuterte in der Kirche die aufwändige Ausstattung und Malerei.
Text: Denkmalverein
Fotos: Hildegard Ginzler