Turmgespräch und Vorstellung der Broschüre „750 Jahre Sinzig – wann genau?“

Zwischen „Civitas“ und „Oppidum“

Vier Urkunden und die Stadtwerdung Sinzigs

 

Sinzig. In zwei Jahren feiert Sinzig sein 750jährigens Bestehen als Stadt – die Vorbereitungen zu einem großen Fest im Jahre 2017 sind in vollem Gange. Auch der Verein  zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums beteiligt sich daran.  Dennoch hatte er schon jetzt, am 2. April 2015,  zu diesem Thema eingeladen. „750 Jahre Stadt Sinzig – aber wann genau?“ ist der Titel sowohl eines Vortrags im Rahmen der Reihe „Turmgespräch im Schloss“ wie auch einer druckfrisch vorliegenden Broschüre von Vorsitzendem Karl-Friedrich  Amendt.

Nach dem gut besuchten Vortrag blieb ein Teil des Publikums noch zusammen, um bei einem Glas Wein die neue Broschüre zu begutachten und über das Thema zu sprechen. Worum geht es dabei im Detail? Weil es keine förmliche Urkunde zur Verleihung des Stadtrechtes gibt, ist es nicht möglich, ein unumstößliches Datum für die Stadtwerdung festzulegen. Es gibt aber andererseits trotz sorgfältiger Auswertung wissenschaftlich anerkannter Quellen auch keine Antwort nach dem Prinzip „kurz und bündig“. Außer Zweifel steht jedoch, dass Sinzig sein Jubiläum zu Recht feiern kann. Das alles ist in der Broschüre nachzulesen. Dabei stellt Amendt vier Urkunden in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen:

Urkunde eins dient als Anlass der 750-Jahr-Feier im Jahre 2017, sie stammt von 1267 und belegt, dass nach der Einnahme Sinzigs durch den Kölner Erzbischof die vom Reich erteilten allerdings nicht näher bezeichnete Rechte und Freiheiten weiterhin gültig sind – sie müssen also schon vorher bestanden haben. Stärkster Beleg ist der Begriff „opidanos“ für die Bürger. „Oppidum“ heißt lateinisch zwar Stadt, wurde von den Römern aber für größere Ansiedlungen in besetzten Gebieten ohne Stadtrechte verwendet.

Urkunde zwei: Zwölf Jahre vorher, am 1. April 1255, trat Sinzig einem „Rheinischen Städtebund“ bei, einer Interessenvertretung gegen das zu dieser Zeit geschwächte Königtum des Reiches. In Ermangelung eines Sinziger Stadtsiegels unterzeichneten die Herren der Reichsburgen Landskrone und Hammerstein mit ihrem Siegel und erkannten damit weitgehende Rechte für Sinzig an.

Urkunde drei: Acht weitere Jahre zuvor, im Mai 1243, werde die Bewohner Sinzigs eindeutig als  „civibus imperii in Sinzige“ („Bürger des Reichs“) bezeichnet, unterstanden also keinem regionalen Landesherrn. Als „Civitas“ galt im Mittelalter eine meist kleinere Stadt mit erheblichen Privilegien, die hier aber nicht näher beschrieben sind. Und das macht die Sache so kompliziert.

Urkunde vier: Sie stammt vom November 1227 und erwähnt für Sinzig einen Bürgermeister und ein Schöffenkollegium (Stadtrat) – beides gehörte zu einer Stadt.

Das alles geschah nach dem Umzug der königlichen Verwaltung aus der Sinziger Königspfalz auf die Burg Landskron (1207). Erst da ergab sich die Chance auf eine Art Selbstverwaltung, für die die genannten Urkunden sprechen. In diesem Zusammenhang entwickelte Amendt eine interessante Theorie: Kann es nicht sein, dass der Bau der heutigen Pfarrkirche St. Peter eine Art Ausgleich für Sinzig für die Verlegung des Amtssitzes auf die Landskron darstellte? Beweise dafür gibt es nicht, allerdings scheint die Kirche für einen Ort mit damals rund 300 Einwohnern sehr groß dimensioniert. 

Der Termin für Vortrag und Vorstellung der Broschüre war nicht zufällig gewählt, er sollte an den 1. April 1255 (Urkunde zwei) erinnern. Es ist also der 760. Jahrestag dieses Beitritts. Sowohl im Vortrag wie in der Broschüre erläutert Amendt zunächst, welche Voraussetzungen vorliegen mussten, um im Mittelalter als Stadt zu gelten. Es geht im Detail um die genannten Urkunden und mögliche Schlussfolgerungen – eine  buchstäblich spannende Geschichte. Amendt hat in intensiven Recherchen zahlreiche Details und ganz aktuell auch neue Erkenntnisse ermittelt,  die bildhaft Leben und Politik im Mittelalter beschreiben. Die Urkunden sind erläutert, zitiert und zum Teil auch in der Broschüre abgedruckt. Außerdem geht der Autor ausführlich auf Siedlungsvoraussetzungen allgemein und auf Städte und Stadtrechte ein.  

Die Schlussfolgerung von Karl-Friedrich Amendt: Die Fakten sprechen für eine Stadt Sinzig schon vor 1267, aber die 750 Jahre Stadt Sinzig im Jahre 2017 sind trotzdem ein Grund zum Feiern. Und der nächste kommt bestimmt: 26 Jahre nach dem großen Fest könnte im Jahre 2043 „800 Jahre Stadtrechte für Sinzig“ anstehen.

In einem zweiten Teil erläutert Stadtarchivar Dr. Wolfgang Dietz grundlegend die Sinziger Siegel und Wappen bis hin zu aktuellen Logos. Für die neue Broschüre des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig wird eine Schutzgebühr von 3 Euro erhoben, erhältlich ist sie im örtlichen Buchhandel, bei Tourist Info Sinzig und im HeimatMuseum Schloss Sinzig. 

 

Karl- Friedrich Amendt/ Dr. Wolfgang Dietz   750 Jahre Stadt Sinzig - aber wann genau?, 66 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Broschur, Schutzgebühr 3 Euro. 

 

Die Autoren der neuen Broschüre Dr. Wolfgang Dietz (links) und Karl-Friedrich Amendt.

 

 

 

 

(c) April 2015

 

Text und Fotos: Matthias Röcke