Als der Wein bis an den Stadtrand von Sinzig wuchs

Dr. Jürgen Haffke und Paul Gieler sprachen beim Denkmalverein über den Weinbau an der unteren Ahr

 

Sinzig.  In Sinzig wuchs der Wein noch im 19. Jahrhundert von Süden und von Westen bis an die Grenzen der Kernstadt, in Westum gab es Wein, in Koisdorf und in Löhndorf, außerdem natürlich in Bodendorf unmittelbar im Ahrtal. Heute ist davon nichts mehr übrig. Warum ist das so? Dr. Jürgen Haffke, Historischer Geograf, und der Winzer Paul Gieler erzählten es dem Publikum des Fördervereins Denkmalpflege und Heimatmuseum Sinzig beim jüngsten Turmgespräch im Schloss.

„Der Ahrweinbau von Heimersheim bis Sinzig“ hatten sie ihren Vortrag überschrieben. Diese Geschichte recht weit zurück, allerdings nicht, was an sich ganz schön wäre, bis in die Römerzeit. Der Weinbau an der Ahr stammt vielmehr aus der karolingischen Zeit, also aus dem frühen Mittelalter zwischen 750 und 900 nach Christus. Ursache war die bedeutende europäische Fernverbindung, die als Aachen-Frankfurter Heerstraße den Raum Sinzig und Bodendorf berührte. Eine wichtige Rolle spielten auch der Rhein und der Warenumschlagplatz Köln. Der Grund: Die Klöster nördlich der Ahrregion hielten sich wegen der Verkehrsanbindung Winzerbetriebe an der Ahr.

An der unteren Ahr einschließlich Remagen ist der Wein sogar früher dokumentiert als an der Mittelahr, nämlich schon ab755. Eine Urkunde zum heute nicht mehr existenten Dorf Krechelheim in der Gemarkung des heutigen Westum stammt aus dem Jahr 836. Einen spürbaren Schub erlebte der Weinbau an der Ahr im zwölften Jahrhundert, als klimatische Veränderungen bessere Lebensbedingungen schufen, es zu großem Bevölkerungszuwachs kam und Städte gegründet wurden, zum Beispiel auch Ahrweiler. In dieser Zeit  verankert Haffke auch seine These vom Beginn des Weinbaus auf künstlich geschaffenen Terrassen. Denn gleichzeitig gab es große Fortschritte in der Bautechnik, gotische Hallenkirchen entstanden ebenso wie  Burgen und Befestigungen. Verbrieft ist das allerdings nicht, es gibt aber auch keine anderen Erkenntnisse zur Geschichte der Weinterrassen. Erst auf einer Karte von 1571 sind welche zu erkennen.

Die spannende, von Dr. Haffke und Gieler im Wechsel vorgetragene Geschichte des Weinbaus an der Ahr erfährt ihren nächsten großen Einschnitt mit dem Ende der kleinen Fürstentümer und der Klöster. Im Zuge der französischen Revolution kommen die Franzosen 1794 für 20 Jahre ins Land, ehe 1815 die Region an Preußen fällt. Das geht einher mit neuen Zollregelungen. Ein großer Markt mit riesiger  Konkurrenz tut sich auf, der den kleinteilig organisierten Winzern an der Ahr keine Chance lässt. Es folgt eine Phase der Verarmung. Ein Grund dafür ist auch die im Zuge der Erbfolge starke Zersplitterung von Grund und Boden bis in unrentable Kleinstparzellen. Ein weiterer Grund: Neue, gut erreichbare Arbeitsplätze locken gerade an der unteren Ahr die Hilfskräfte weg. Die Weinbauern reagierten in der Not mit der Gründung von Winzergenossenschaften. So darf die Winzergenossenschaft Mayschoß für sich in Anspruch nehmen, die älteste der Welt zu sein (1868). Auch an der unteren Ahr entstanden Genossenschaften, existierten aber zum Teil nur kurz (Koisdorf/Sinzig und Löhndorf). In Westum (1880 bis 1928) und Bodendorf hatten sie länger Bestand (1890 – 1968).

Den nächsten Einschnitt für die Ahrwinzer kann auch der Genossenschaftsgedanke nicht bekämpfen. Die Reblaus schleicht sich aus den USA über Frankreich ein und vernichtet ab 1881 den gesamten Bestand, der erst nach langwierigen Sanierungsmaßnahmen erneuert werden kann. 1929 sind an der unteren Ahr von 200 Hektar Fläche noch 70 Hektar vorhanden. Die Mittelahr bleibt wegen ihrer sauren Böden von der Reblaus verschont. Für die Anbauflächen der unteren Ahr ist das das Ende in Etappen. Die Flurbereinigung ab 1956 regulierte zwar die Probleme der Zersplitterung der Anbauflächen, kommt aber für den Weinbau östlich von Heimersheim zu spät.

Wein gibt es nun nicht mehr – in Bad Bodendorf stehen nur noch ein paar Stöcke symbolisch für die Vergangenheit. Das ließe sich vielleicht auch in Sinzig machen, schlug Dr. Haffke vor – als Erinnerung an die Zeit, als die Weinbauflächen noch bis an den Stadtrand reichten.

Vorsitzender Hardy Rehmann dankte den beiden Referenten für ihren fundierten und kurzweilig präsentierten Vortrag. Ehe er zum abschließenden Glas Wein in informeller Runde überleitete, gab es noch eine Reihe von Fragen aus dem sehr interessierten Publikum an die Referenten. Und am Schluss das beim Denkmalverein übliche Weinpräsent – auch Weinreferenten erhalten es als symbolisches Honorar.

 

Auch wer den Wein so gut kennt wie Dr. Jürgen Haffke (Mitte) und Paul Gieler (rechts)
erhält vom Vorsitzenden des Denkmalvereins Hardy Rehmann das übliche Weinpräsent
als „Honorar“ für den Vortrag.

 

Text und Foto: Denkmalverein

(c) Oktober 2018