Sinziger  Schlossgeschichten

Internationaler Museumstag in Sinzig (Teil 2)

Ausstellung

„Rheinromantik – Grafiken des 19. Jahrhunderts

von Hildegard Ginzler

 

Im 1. Stock des Schlosses lockte am Internationalen Museumstag die Sonderausstellung der Grafiken von Sinzig und seinen Nachbarorten. Sie wird mindestens bis Jahresende 2002 im Heimatmuseum zu sehen sein. Der von Agnes Menacher erstellte Katalog bietet hilfreiche Hinführungen zu den einzelnen Stichen, Lithographien und Aquatinten. Beliebtes Thema war die Sinziger Pfarrkirche. Als passende Staffage gesellen sich zum Sakralbau mit bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch belegtem Friedhof Betende vor Grabsteinen oder eine Prozession mit Pfarrer und Messdienern. Teilweise äußerst ähnliche Wiedergaben zeigen, wie gerne man sich wiederholt an die gleichen Vorlagen hielt. So etwa bei den Südwest-Ansichten von St. Peter 1832 und 1838 (Katalog: Nr. 10 und 11). Die Stahlstiche stellen nicht nur die Kirche in identischer Perspektive dar, sie zeigen davor auch die gleichen Personengruppen. Für den früheren Stich lieferte der exzellente englische Zeichner William Tombleson die Vorlagen. Von 50 der besten Stecher ausgeführt, erschienen sie 1832 in London, herausgegeben von W. G. Fearnside, Tombleson & Co., in „Tombleson’s Views of the Rhine“. Der spätere, ebenfalls eindeutig an Tombleson orientierte Stich, wurde in „Das malerische und romantische Rheinland“ von Johann Wilhelm Spitz 1838 in Düsseldorf veröffentlicht.
Während bei den genannten Grafiken hinten links das noch 1838 erwähnte mit der Marienkapelle verbundene Gebäude der Beginen zu sehen ist, hat der Zeichner Ludwig Lange in seiner Abbildung der Sinziger Pfarrkirche (1847) auf die zwischenzeitlich veränderten Verhältnisse reagiert. Links der Kirche erscheint nicht mehr das Beginenhaus, sondern der Blick richtet sich auf Linz am anderen Rheinufer. Auf diese Weise konnte Lange auch aus der begrenzten Örtlichkeit des Kirchplatzes ausbrechen und den Sehnsuchtsstrom Rhein ins Bild hinein nehmen.
Pure Idylle verbreitet etwa der kolorierte Stahlstich „Nieder-Breysig“ (1838). Auf dem Rhein sind Fischerkähne mit Segeln, Körben und viele Menschen zu sehen. Rechts markiert eine Häuserzeile über der Uferböschung den Saum des Städtchens. Besonders malerisch erschließt sich das romantische Rheinland-Potential im breiten Panorama „Auf dem Viktoriaberge bei Remagen“. Der Holzstich nach einem Gemälde des Malers Jungheim wurde von 1870 in der beliebten Familienzeitschrift Gartenlaube veröffentlicht. Er weist alle Elemente rhein-romantischer Bildgestaltung auf. Im Hintergrund ist der Flusslauf mit pittoresken Ufern zu sehen, links im Mittelgrund die Apollinaris-Kirche als signifikante Sehenswürdigkeit der Römerstadt und vorne, erhoben über dem schönen Band des Stromes, tummeln sich diverse Müßiggänger. Einige genießen den Ausblick, andere lagern im Grün und eine Dame sitzt zu Pferde. Das ganze Bild kommt einem Aufseufzen gleich: Ach, wie ist es am Rhein so schön!
Der sagenumwobene Rhein, mittelalterliche Orte, Burgen und Berge reizten frühe Besucher wie die Ende des 18. Jahrhunderts schon alljährlich erwarteten reisenden Engländer. Im 19. Jahrhundert folgten den Dichtern, den Initialzündern der Rhein-Romantik, eine große Schar von Malern, Zeichnern und Vergnügungsreisenden an den Rhein. Auch Friedrich Schlegel, Clemens Brentano, Heinrich Heine, Josef von Eichendorf und viele Gelegenheitsliteraten, faszinierte das Rheinmotiv. Durch die Einführung der Dampfschifffahrt 1827 wurde der Fluss zum enorm belebten Tummelplatz der Sehnsuchtsreisenden, denen im 19. Jahrhunderts erstmals eine spezielle Reiseliteratur zur Verfügung stand.
 Erzählungen, Gedichte und poetische Tagebücher trugen entscheidend zur Popularisierung der Rheinromantik bei. Das Bild vom romantischen Rhein prägte im 19. Jahrhundert fast ausschließlich die Druckgrafik. Die heute meist als Einzelblätter anzutreffenden Grafiken waren ursprünglich Bestandteil illustrierter Reisebeschreibungen und Ansichtenfolgen, die sich auf den Abschnitt zwischen Köln und Mainz konzentrieren, wo die Rheinromantik, wegen der dort besonders dicht angesiedelten Sagen und Denkmäler, am üppigsten blühte.