Nachkriegsmoderne in der Architektur
Dr. Holger Rescher sprach beim Denkmalverein über die Epoche nach 1945 – Beispiele aus Sinzig
Sinzig. Die Reise in die Vergangenheit beim „Turmgespräch im Schloss“ des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums in Sinzig war für die meisten im Publikum eine Reise zurück in ihre Kindheit. Dr. Holger Rescher von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz schuf in seinem Vortrag „Bedrohte Nachkriegsmoderne – Architektur nach 1945“ viele persönliche und regionale Anknüpfungspunkte für die Zuhörerinnen und Zuhörer, wenn es um Beispiele aus Bonn ging (Bundeshaus, Postministerium, Pavillon am Bundestag). „Es nicken so viele zustimmend, Sie kennen wohl schon alles?“, fragte deshalb der Referent mitten in seinem engagierten, detailreichen und locker dargebotenen Vortrag. Bei Bonn in den 1950ern war das interessierte Publikum tatsächlich auf dem Laufenden, viele andere Baubeispiele und die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge bis in die 1970 Jahre boten aber noch etliche neue Erkenntnisse und spannende Einblicke.
Bonn kam nicht etwa deshalb gut weg in dem Vortrag, weil die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ihren Sitz dort hat (in der denkmalgeschützten ehemaligen bayerischen Landesvertretung in der Schlegelstraße), sondern weil Bonn im Rufe einer Metropole der Nachkriegsmoderne hat. In der Architektur wehte nach 1945 ein frischer Wind durch das ganze Land, eine neue Leichtigkeit zog ein. Die Architekten knüpften dabei an Tendenzen aus den 1920 und 1930er Jahren an, wie sie sich konzentriert in der Bauhaus-Architektur ausdrücken. Modern war das Spiel mit den Materialien Glas, Beton und Aluminium, nicht nur bei repräsentativen Bauten. Die in sich geschlossene Reuter-Siedlung in Bad Godesberg steht für den Siedlungsbau jener Zeit, aber auch Verkaufspavillons wie der Milchpavillon auf dem Bonner Münsterplatz oder der neben dem Bahnhof Bad Neuenahr gehören dazu.
Alternativ zur klar gegliederten Sachlichkeit setzte sich in den späten 1950er Jahren die organische Architektur durch. Sie fügt zwei unterschiedliche Baukörper zusammen wie bei der Beethovenhalle in Bonn. Zu aktuellen Diskussionen nahm Dr. Rescher unmittelbar keine Stellung, sein Engagement für die Denkmäler war über unüberhörbar. Übrigens gilt für jedes Denkmal: „Man muss es nicht schön finden, einzigartig muss es sein.“ Beispiel Ministeriums-Kreuzbauten in Bonn von 1969, die unter Schutz stehen: Klare Strukturen, stimmige Dimensionen, Materialverwendung und gestalterische Akzente wie die Nottreppe sind die Ursache. Oder – wer hätte das gedacht? – das Klinikum in Aachen als Beispiel für Hightech-Architektur.
Auch Sinzig kam vor. Beim derzeit leer stehenden zweigeschossigen Geschäftshaus in der Ausdorfer Straße 1-3 lobte Dr. Rescher die Fassadenaufteilung und die Materialverwendung – das hatte nicht jeder in der Zuhörerschaft auf der Rechnung. Auch das leer stehende Geschäft in der Ausdorfer Straße 20 mit seinen Schaufensterflächen fand Erwähnung ebenso wie das Wohn- und Geschäftshaus in der Koblenzer Straße 26.
Und was macht der Denkmalpflege heute Sorgen? Photovoltaikanlagen auf historischen Gebäuden, Fassadenveränderungen im Zuge energetischer Optimierung, zu hohe Windräder am Ortsrand und Rekonstruktionen, die historische Bausubstanz vortäuschen. Für seinen Schnelldurchgang durch eine ganze Denkmalepoche dankte Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt Dr. Rescher mit herzlichen Worten, zuvor hatte es noch ein reges Fragen und Antworten gegeben, so viele Punkte waren angesprochen.
Die nächste Veranstaltung führt den Verein am 4. April ins Landesmuseum nach Bonn, wo man die Ausstellung „Gebrochener Glanz’ (Römische Großbronzen) besuchen wird.
Kompetent und engagiert stellte Dr. Holger Rescher die Architektur nach 1945 vor.
Vorsitzender Karl-Friedrich Amendt dankte Dr. Holger Rescher für seinen Vortrag.
Beispiele aus Sinzig für die 50er Jahres: Ausdorfer Straße 1-3…
… und Ausdorfer Straße 20 sowie…
… in der Koblenzer Straße Nummer 26.
(c) März 2014
Fotos und Text: Matthias Röcke